Eine Pilotstudie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen & Jugend ergab, dass jeder mit dem Begriff Sexismus etwas anfangen kann. Allerdings gibt es verschiedene Auffassungen darüber, was genau darunter zu verstehen ist. Die Erfahrungen mit Alltagssexismus sind ebenfalls sehr unterschiedlich. In diesem Artikel erfährst du, in welchen Formen sich Sexismus im Alltag zeigen kann und wie du damit umgehen kannst.
Alltagssexismus: Eine Definition
Was Sexismus bedeutet: Sexismus bezeichnet eine Situation oder eine Tat, in der eine Person oder ein Geschlecht erniedrigt und objektiviert wird. Sei es beispielhaft durch die Reduzierung einer Person auf ihr Äußeres. Darüber hinaus wird die Freiheit, Würde und der Wille der Person nicht respektiert. Demnach kommt Sexismus deutlich gesprochen einer vorübergehenden ‚Entmenschlichung‘ gleich.
Worin man sich theoretisch einig ist: Sexismus ist nichts, womit man sich identifizieren möchte. Von Sexismus gilt es sich zu distanzieren. Sexismus ist moralisch zu verurteilen. Sexismus hat weder im privaten, noch im öffentlichen Kontext etwas zu suchen.
Die Realität offenbart allerdings ein anderes Bild. Die Gründe für Sexismus gestalten sich vielseitig: Häufig findet sich Alltagssexismus in Gruppen, in denen sich Personen sozial profilieren wollen. Anrüchige Sprüche sollen den Macker oder die Mackerin raushängen lassen.
Doch auch zur sexuellen Luststeigerung wird Sexismus im Alltag betrieben, sodass Personen für die eigenen Zwecke instrumentalisiert werden. Platt gesprochen, werden betroffene Personen zum Sexobjekt. Nicht unwesentlich sind zuletzt sogenannte Dominanz- und Machtgebaren, die darauf abzielen, die betroffene Person herabzuwürdigen.
Hier findet sich Alltagssexismus
Sexismus ist omnipräsent. Jeder wird bereits, bewusst oder unbewusst einer sexistischen Situation ausgesetzt gewesen sein. Dazu zählen face-to-face Gespräche, Telefonate, Kommunikation in sozialen Netzwerken, Werbespots und vieles mehr.
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Bewertung von Sexismus
Alltagssexismus zeigt sich in ganz unterschiedlichen Situationen und unterschiedlichen Ausprägungen. Besonders entscheidend ist, dass es kein einheitliches Maß gibt, ab wann etwas als sexistisch gilt. Die Bewertung der Situation ist relevant dafür, ob etwas überhaupt als Sexismus verbucht wird.
Sieht die eine Person den starrenden Blick noch als harmlos an, könnte eine andere Person sich davon bereits belästigt und herabgewürdigt fühlen. Außerdem ist immer auch die Absicht der vermeintlich sexistischen Person und das Verhältnis der Personen untereinander nicht zu vernachlässigen.
Sexismus: Die Wahrnehmung
Ja, um auch diesen Punkt nicht unerwähnt zu lassen: Auch Männer erfahren im Alltag Sexismus. Allerdings um 18 bis 35 % seltener als Frauen.
Von den Frauen in der Altersklasse von 25 bis 34 Jahren geben ganze 64 % an, bereits Sexismus im Alltag ausgesetzt gewesen zu sein. Die Zahlen sind gegenüber älterer Generationen stark angestiegen: Gründe hierfür werden sowohl im Anstieg sexistischer Übergriffe, als auch in einer höheren Sensibilität vermutet.
Fakt ist, Frauen sind regelmäßig sexistischen Situationen im Alltag ausgesetzt. Doch nicht immer werden solche überhaupt ernst genommen, geschweige denn als negativ empfunden. Nicht selten wird darüber hinweggelächelt, die Situationen werden ignoriert und emotional verdrängt. Dennoch offenbart sich nicht selten ein übler Nachgeschmack.
7 Situationen, die endlich aufhören müssen
Zukünftig gilt: Sexismus im Alltag ist nicht zu dulden. Schluss mit dem darüber hinweglächeln. Sexismus ist kein feministischer Kampfbegriff. Sexismus ist einfach unnötig. Wer sich gegen Sexismus zur Wehr setzt, möchte niemanden etwas wegnehmen, sondern die Gesellschaft bereichern: um eine Kommunikation auf Augenhöhe. Wir haben 7 Situationen gesammelt, denen es in Zukunft entschieden entgegenzutreten gilt.
Platz 7: Hinterherpfeifen
So oft erlebt, so oft verfilmt, es klingt fast wie ein Klischeé. Aber auch im Jahr 2023 wird es passieren, dass uns hinterhergepfiffen wird. Manchmal werden wir gar angehupt. Da fragt man sich: Und jetzt?
Soll ich nun hingehen und mich bedanken? Mit einem kräftigen Händeschütteln? Und die noch viel bessere Frage ist doch: Wohin soll das führen? Steht kein halbes Jahr später die Hochzeit auf dem Plan? Mit Sicherheit nicht. Nicht selten fühlt man sich in diesen Situationen wie Freiwild auf den Straßen. Im besten Fall bleibt man nicht im Scheinwerferlicht stehen.
Platz 6: „Lächel doch mal.“
Diese Situation ist dagegen schon direkter. Immerhin wird uns ins Gesicht gesagt, dass wir doch lächelnd so viel hübscher aussehen würden. Hier wird ungefragt in unsere Privatsphäre eingegriffen. Uns wird vorgeschrieben, wie wir zu gucken haben, um anderen zu gefallen. Einfach unnötig. Wir lächeln, wann uns danach ist.
Platz 5: „Hast du etwa deine Tage?“
Unser Klassiker darf natürlich nicht fehlen auf der Liste von Alltagssexismus. Leider kennen viele diesen Satz nicht nur aus Schulzeiten, sondern bekommen ihn auch heute noch als verallgemeinernde Floskel des weiblichen Geschlechts zu hören. Immerhin seien alle Frauen gleich und immer zickig, wenn sie menstruieren. Dabei ist es weniger der hilflose Versuch, eine Beleidigung hervorzuzaubern, sondern eher die Pauschalisierung, die uns verärgert.
Platz 4: Zuweisung von Aufgaben außerhalb des Tätigkeitsfelds
Na, auch schon mal zum Kaffee holen geschickt worden, weil der Kunde im Büro zu Besuch ist, obwohl das 1. nicht dein Tätigkeitsfeld ist und 2. genügend männliche Kollegen zugegen waren, die ebenso gut den Knopf der Kaffeemaschine hätten bedienen können?
Platz 3: Kommentare zur Kleidung
Es besteht ein zarter Unterschied zwischen einem „Coole Tasche, die du da hast.“ Und einem „Diese Jeans betont in jedem Fall die richtigen Stellen.“
Erst recht am Arbeitsplatz sind Kommentare zu Kleidung und Make-up völlig fehl am Platz. Wir gehen nicht arbeiten, um dem Chef oder den Kollegen zu gefallen. Bei unserem Platz drei sind es übrigens nicht selten Frauen, die sexistische Äußerungen über andere Frauen fällen.
Platz 2: Mansplaining
Hier wird es bereits kniffliger, zumal viele Frauen ohnehin angeben, Probleme damit zu haben, Situationen als eindeutig sexistisch zu verorten. Unangemessene Sprüche werden dann nicht selten als unglückliche Komplimente abgetan.
Wie verhält es sich nun also mit dem sogenannten Mansplaining? Kurz zur Klärung des Begriffes: Hierbei handelt es sich um die herablassende Erklärung eines Mannes, der fälschlicherweise davon ausgeht, es bedürfe seiner Erklärung eines Sachverhaltes, weil die Frau nicht darüber im Bilde wäre. Ganz schön übergriffig.
Platz 1: Ungewollte Berührungen
Auch das bleibt leider nicht aus. Hand hoch, wer schon einmal ungefragt die Hand auf der Schulter, in den Haaren oder auch nur kurzzeitig am Arm hatte. Hier ist die Grenze deutlich überschritten.
Jetzt heißt es: Ohnmacht abstellen, gewonnenes Selbstwertgefühl nutzen & entschieden für sich eintreten.
So setzt man sich gegen Alltagssexismus zur Wehr
74 % der Frauen (65 % der Männer) betonen, dass es ihnen schwerfallen würde, sich gegen Sexismus zur Wehr zu setzen. Bei fremden ‚Tätern‘ würden sich die betroffenen Personen jedoch schon häufiger zur Wehr setzen.
Wer bereits selbst in eine solche Situation geraten ist, wird um die Ohnmacht wissen, die damit einhergeht. Nicht selten stocken einem die Worte und der Schock über die Ungerechtigkeit obsiegt. Zudem verfügen die wenigsten über Reaktionsmechanismen und praktisches Wissen, wie in einer solchen Situation zu handeln ist.
Jedem sollte klar sein, dass das Thema Sexismus kein Tabu ist. Offen über problematische Dinge zu sprechen, kommt einer Ermächtigung gleich. Schlussendlich geht es darum, dass wir Alltagssexismus zukünftig empowert entgegentreten.
Wie und mit welchen Strategien das geschieht, liegt bei jedem selbst. Ob es durch ein freundliches „Ich möchte das nicht.„, durch ein deutliches ‚Lass das.‘ oder durch ein überdeutliches ‚Verpiss dich!‘ ausgedrückt wird, ist kontext- und personenabhängig. Wichtig ist nur, dass wir uns zukünftig nicht alles gefallen lassen und mit dem Thema Sexismus auseinandersetzen.
Du bist interessiert an mehr Anekdoten über Alltagssexismus? Dann wirst du Untenrum frei von Margarete Stokowski verschlingen oder aber mit großen Augen das Buch Alte weiße Männer – ein Schlichtungsversuch von Sophie Passmann genießen. Mehr weibliches Empowerment gefällig? Dann haben wir hier noch ein paar in Deutschland aktive Feministinnen für dich, die du unbedingt kennenlernen solltest.