Wir brauchen eine Männerquote! 50% der zugelassenen Medizinstudierenden müssen männlich und 50% weiblich sein! Statt der Abiturnote sollte ein Losverfahren oder ein psychologischer Eignungstest darüber entscheiden, wer Arzt oder Ärztin werden darf und wer nicht. Findet ihr auch? Ich nicht.
Dieser Aufruf stammt nicht etwa aus den 50er Jahren und hatte das Ziel, endlich eine Chancengleichheit unter den Geschlechtern herbeizuführen. Nein, die Idee stammt von Prof. Jürgen Freyschmidt, Radiologe, männlich, 80 Jahre alt. Hatte man uns Frauen noch jahrelang erzählt, wir müssten einfach nur so gute Leistungen erbringen, um die gleichen Positionen wie die Männer zu bekommen, schlägt der alte weiße Mann nun zurück.
Mittlerweile steht nämlich fest: Die von Männern aufgestellten Regeln zur Verteilung von interessanten oder lukrativen Herausforderungen, in diesem Fall die Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium, werden von Frauen besser erfüllt! Nachdem es jahrelang hieß, nur die besten Abiturient:innen könnten Medizin studieren, heißt es nun: „Um Arzt oder Ärztin zu sein, braucht man andere Qualitäten, wozu die Fähigkeit zu menschlicher Zuwendung, Zuverlässigkeit und vieles mehr gehört.“
Sind das nicht eigentlich sogar weibliche Charakterzüge?
Klingelt da was? Sind das nicht die Fähigkeiten, die man allgemeinhin Frauen zugeschrieben hat, um zu rechtfertigen, dass sie nicht führen können, sondern besser in pflegerischen Berufen aufgehoben sind? Jetzt, wo klar ist, dass tendenziell mehr Frauen die Voraussetzungen zu einem Medizinstudium erfüllen, muss schnell eine andere Logik her. Interessant ist aber schon, dass Mann jetzt zu jedem Strohhalm greift, um wieder Licht am Ende des Tunnels sehen zu können.
Es ist aber natürlich wie immer nicht ganz so einfach. Diesen Vorschlägen liegt nämlich eine Beobachtung zugrunde, die Besorgnis erregen muss: Es beginnen mehr Frauen ein Medizinstudium und es schließen auch mehr Frauen das Studium erfolgreich ab. Im Laufe der Zeit wandern sie aber aus der Medizin, ganz besonders aus den Krankenhäusern, ab. An diesem Punkt muss man nun ansetzen.
Aber nicht plakativ wie Freyschmidt „weg mit den Frauen!“ schreien, sondern überlegen, was eigentlich am System falsch ist. Falsch ist, wenn sich eine Chirurgin jeden Tag im Operationssaal Frauenwitze anhören muss. Falsch ist, wenn ihre männlichen Kollegen operieren dürfen, sie aber nicht. Weil das halt körperliche Arbeit ist und eben was für Männer.
Männer helfen Männern – Wo sind die Frauen?
So sorgt der alte weiße Chef ganz gezielt dafür, dass die jungen männlichen Kollegen Praxiserfahrungen sammeln, die den Frauen fehlt. Falsch ist, wenn 24-Stundendienste der Maßstab der Dinge sind, um zu zeigen, was man alles aushalten kann. Das ist für niemanden gesundheitsförderlich und kann nur dann funktionieren, wenn ein:e Ärzt:in ein extrem gutes familiäres Backup hat.
Wie lange kann eine Frau solche Arbeitsbedingungen aushalten, ohne gefrustet zu sein? Es beschleicht einen das Gefühl, dass in vielen dieser Bereiche Frauen einfach aus dem Berufsleben weggemobbt werden sollen. Es scheint zu funktionieren. Irgendwie ist aber dieses Wegmobben aber wohl doch lästig. Besser, man hält sie sich gleich von Anfang an vom Hals. Also: Eine Quote für notenschwache Männer mit Fähigkeit zur Empathie muss her!
Fakt ist: Wir haben außer bei den Studienanfängen und bei den Abschlüssen keinen „zu hohen“ Frauenanteil. Wir dürfen zwar unten mitspielen, aber dann ist auch ganz schnell wieder Schluss. Nach einer Dokumentation des DÄB, der weibliche Mediziner:innen vertritt, sind Frauen in den Chefetagen nach wie vor höchstens mit 10 Prozent vertreten. Auch in der Wissenschaft kann von einer überwiegend weiblichen Zukunft nicht die Rede sein. Das Phänomen ist keines, das es nur in Kliniken gibt. Auch bei den BWL-Student:innen ist es so, dass es mehr weibliche Absolventinnen gibt, die gleichzeitig auch noch bessere Noten haben. In den Vorstandsetagen sind sie trotzdem kaum zu finden. Das Argument, es gäbe keine qualifizierten Kandidatinnen kommt dann in diesem Kontext doch eher verzweifelt daher.
Das brauchen wir statt einer Männerquote
Wir brauchen also definitiv keine Männerquote. Wir brauchen endlich die Anerkennung von Leistung, die von Menschen erbracht wird. Es darf beim beruflichen Fortkommen keine Rolle mehr spielen, ob ein: Kandidat:in männlich oder weiblich ist. Und im Falle der Medizinerinnen ist die Sachlage eindeutig: Bei so vielen hervorragend ausgebildeten jungen Frauen ist es nicht länger hinnehmbar, dass sie in den Leitungsfunktionen kaum eine Rolle spielen!
Männer: Für euch sollte es, wie für uns, nur folgende Optionen geben: Fleißiger lernen oder sich mit weniger Karriere zufriedengeben. Auch ihr könnt Kinder großziehen und den Haushalt machen. Ihr macht doch so gerne Wettkämpfe untereinander. Kämpft doch mal mit einer Frau – unter fairen Spielregeln! Und dann lernt verlieren!
Noch mehr von Jeannine?
Jeannine schreibt für wmn regelmäßig spannende Männer-Frauen-Kolumnen. Was sie zum Thema Sexismus am Arbeitsplatz sagt, wie sich ihrer Meinung nach die Kinderbetreuung seit Corona für die Frauen verschlechtert hat.
Jeannine macht beides: Kind und Karriere. Sie hat in ihrer Kolumne unter anderem darüber geschrieben, warum das für viele Menschen ein Problem ist.