Es geht wieder los. 15 Jahre ist es nun her, dass Lena Gercke sich völlig verblüfft auf dem Cosmopolitan Cover erkannte und so zum ersten deutschen Topmodel gekürt wurde. Wenn man bedenkt, dass Lena Gercke bis heute ein Begriff in der Medienlandschaft ist, erscheint das Format von GNTM besonders vielversprechend.
Doch dann gibt es wieder Jahre, da können wir uns noch so sehr anstrengen – die Gewinnerin will sich unserem geistigen Auge einfach nicht offenbaren. Damit das nächste gekürte Topmodel nicht vom gleichen Schicksal ereilt wird, werden den Kandidatinnen dieses Jahr neue Maßstäbe gesetzt. Ein Grund mehr, dass wir uns an der GNTM Kritik 2020 beteiligen:
Mit dem Strom auf der Social Media Welle
Zahlreiche YouTuberinnen haben bereits ihr Glück versucht und sich zu den Massencastings gewagt, um ihren Followern anschließend Einblicke bieten zu können. Eine von ihnen – Alicia Joe – stellt fest, dass man heute entweder extrem gut aussehen oder extrem interessant sein muss. An sich nichts Neues. Wir alle haben noch die Totalausfälle und Körperklause im Kopf, die uns möglichst ausgiebig entertainen sollten.
Doch diese Definition von ‚interessant‘ ist für Prosieben längst überholt. Interessant ist, wer Reichweite hat. Follower, Likes und Comments zählen. Daraus macht auch Modelpapa Günther Klum keinen Hehl. Er weiß, dass vor allem mit den aufmerksamkeitsstarken Frauen viel zu holen ist. So hat er unter anderem die Ex-Kandidatin von GNTM und Ex-Bachelorette Gerda Lewis unter Vertrag. Mit fast 900.000 Followern ist Gerda lukrativ für die Kartei, gibt Günther Klum offen zu.
Apropos Kartei: Diese kam bei der GNTM Kritik immer häufiger zum Tragen. Günther Klum ist nicht nur der Vater von Heidi Klum, sondern leitet zugleich die Agentur ONEeins fab Management, die sich als Full Service Künstleragentur für die Kandidatinnen versteht. Nach beendeter Staffel sind die Kandidatinnen automatisch in der Kartei vertreten. Die Konsequenz: Immer mehr Frauen klagen sich aus den Verträgen, da sie nicht die Jobs bekommen, die für einen internationalen Durchbruch sorgen könnten.
>1,76, >90-60-90 und >50.000
Was sich so kryptisch liest, sind die Kennziffern, die jedes angehende Germany‘s Next Topmodel mitbringen sollte. Neben den gängigen Modelkennwerten – größer als 1,76m und dünner als 90-60-90 – sind demnach heute vor allem die Followerzahlen der Kandidatinnen auf den sozialen Netzwerken wichtig. Wer im Casting angibt, einen erfolgreichen YouTube– oder Instagram-Kanal zu führen, ist dem Weiterkommen schon einen Schritt näher. Unter 50.000 Followern läuft allerdings nichts.
Günther Klum meint dazu: „Bei Topmodel werden die Influencer geboren“. Wir dachten eigentlich Models. Vielleicht heißt es einfach bald Germany‘s Next Influencer. Auch Heidi unterstreicht, dass die Kandidatinnen bei Germany‘s Next Topmodel 2020 erst dann interessant sind, wenn sie sich selbst gut verkaufen können. Mal wieder werden sie so zu einer Ware degradiert.
Dass auch Germany‘s Next Topmodel auf die Welle des Influencer Marketings aufspringen will, zeichnete sich dabei schon in den letzten Jahren ab. Hier wurden den Kandidatinnen eigene Instagram Accounts angelegt, die zwar von den Kandidatinnen befüllt wurden, jedoch in den Händen von Prosieben lagen.
In Challenges ging es dann auch darum, wer die meisten Likes auf sein neues Shooting-Bild ergattern konnte. Es verwundert daher nicht, dass die Määääädchen mit dem größten Traffic besonders weit kamen. Denn wer am Ende gewinnt, sollte natürlich bereits eine große Fanbase haben, um im Nachhinein besonders viel Umsatz zu generieren. Auch für ONEeins fab.
Wie wichtig der Erfolg in den sozialen Netzwerken tatsächlich ist, beweist zum Beispiel die ehemalige Gewinnerin Stefanie Giesinger. Sie ist mit ihren 3,7 Millionen Followern das lebende Beispiel dafür, dass die Online Präsenz und eine loyale Community heute unabdingbar für den Erfolg in der Modelbrache sind. Dahingehend muss die diesjährige Entwicklung bei GNTM 2020 zwar kritisch beäugt werden, ist jedoch unter gegeben Umständen sogar nachvollziehbar.
Die GNTM Kritik ebbt nicht ab
Es gibt kein Jahr, in dem Germany‘s Next Topmodel nicht auch kritisiert wird. Letztes Jahr wurde vor allem kritisiert, wie die Kandidatinnen dargestellt wurden: als ein Zerrbild ihrer selbst. Dabei sollte den Mädchen mittlerweile klar sein, dass sie mit ihrer Unterschrift an den Bildrechten ihre Persönlichkeitsrechte aufgeben. Prosieben nimmt seinen Slogan „We love to entertain you“ ernst. Hier zählt das große Fernsehen, Drama und Money. Für die Befindlichkeiten von gerade 18 gewordenen Mädchen ist in diesem Konzept wenig Platz.
Und auch die Kritik um die Frauenfeindlichkeit des Formats spitzt sich immer weiter zu. Aber mal ernsthaft Prosieben: Ihr schickt im Jahr 2020 doch nicht etwa schon wieder oberkörperfreie, eingeölte Männer in die Boys Edition? Sollen sich die Frauen dann wieder kichernd einen aussuchen? Sollen sie sich lasziv rekeln und einen Tinnitus bekommen, wenn sie den Boy küssen und Heidi aus dem Schreien nicht mehr rauskommt?
Euer Ding. Aber wundert euch nicht über die GNTM Kritik in 2020. Dieses hinterwäldlerische Frauenbild passt nicht in die heutige Zeit. Dabei wollt ihr doch auf jeder modernen Welle mitreiten. Daher kam doch auch euer trauriger Versuch, den Feminismus im letzten Finale von Germany‘s Next Topmodel unterzubringen. „Gott ist eine Frau“ zierte eines der Kleider. Süßer Versuch, doch bevor ihr euch an die großen Feminismus-Debatten wagt, solltet ihr Feminismus im Kleinen betreiben.
Ab Kleidergröße 36 wirds eng
Was passiert eigentlich in Sachen positives Körperbild? Da nun mittlerweile belegt wurde, dass Formate wie GNTM Essstörungen begünstigen, hat sich Prosieben was einfallen lassen. Da wurden Begriffe wie Diversity lose durch die Luft geschleudert und auch kurvige Frauen durften mit auf die große Reise. Kurvig bedeutet dann, dass die Frauen eine 36 anstelle einer 34 trugen. Bravo. Dennoch werden von Heidi Komplimente dafür ausgesprochen, wie fit eine Kandidatin doch aussieht.
Natürlich wollen wir nicht unter den Teppich kehren, dass Diversity tatsächlich gelebt wird. Immer mehr Transgender Kandidatinnen nehmen bei GNTM teil und das Spezial mit den Drag Queens, bekam mit Queen of Drags sogar ein eigenes Spin-Off. Es bleibt zu hoffen, dass in der diesjährigen Staffel GNTM 2020 auch mal eine Transgender Kandidatin in die engere Finalauswahl kommt.
Neues Jahr, neues Glück
Da sich das Format trotz zunehmender Kritik wacker hält, werden wir nun auch im Frühjahr 2020 wieder mit einer neuen Staffel von Germany‘s Next Topmodel beglückt. Uns erwarten erneut prominente Gastjuroren, die für eine hohe Einschaltquote sorgen sollen und sonnige Bilder aus Costa Rica, wo die nächste Staffel ihren Anfang findet. Wir sind wieder dabei – doch mit einem kritischen Auge Richtung Fernseher und einem lachenden Auge Richtung Twitter. Das klärt wenigstens die Frage, warum wir Trash TV so sehr lieben.